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Superkühe und Honigbienen live. Journalismus der Dinge

Unser Autor Jakob Vicari berichtete bei den Kölner Mediengesprächen am 9. März von seiner Pionierarbeit für den noch jungen "Journalismus der Dinge". Sein gleichnamiges Buch erschien im Herbst 2019 als 107. Band der Reihe Praktischer Journalismus. 

Er sei eigentlich ein klassisch ausgebildeter Wissenschaftsjournalist, erzählt Dr. Jakob Vicari zu Beginn seines Vortrags. Heute liege sein Hauptarbeitsgebiet jedoch im “Journalismus der Dinge”, einer journalistischen Teildisziplin, die Vicari gewissermaßen selbst entwickelt hat. Was “Journalismus der Dinge” ist und wie er entstand, war das Thema des gestrigen Vortrags bei den Kölner Mediengesprächen.

JournalistInnen haben laut Vicari oft das Gefühl, der technologischen Entwicklung hinterherzuhinken. Kaum haben sie eine neue Technologie für den Journalismus erschlossen, gibt es bereits neue Entwicklungen und das eben noch Innovative ist ganz plötzlich schon wieder veraltet. Wie kann der Journalismus also mit der rasanten technologischen Entwicklung Schritt halten? Vicari hat dafür folgenden Lösungsansatz: Sprachassistenten wie Alexa, Siri & Co., aber auch Fitnessarmbänder, die Halsbänder vieler Haustiere, Elektrogeräte und sogar manche Spielzeuge – etwa die bei den Kleinsten beliebte Toniebox, die Inhalte abspielt, sobald man zugehörige Spielzeugfiguren auf der Box platziert – sind mit Sensoren ausgestattet. Diese vielfach bereits vorhandene Sensortechnologie will Vicari für den Journalismus nutzbar machen, um mit ihrer Hilfe Geschichten zu erzählen.

In einem frühen Experiment rüstete Vicari eine Brotdose mit Sensoren aus und ließ diese dann mithilfe eines Computerprogramms Daten über die Entwicklung einer Kolonie Urzeitkrebse sammeln, die in einem Aquarium auf Vicaris Schreibtisch stand. Tatsächlich konnte Vicari mittels dieses Verfahrens den gesamten, ca. 60-tägigen Lebenszyklus der Krebse dokumentieren und journalistisch aufbereiten.

Die Methode machte Schule: Zusammen mit dem WDR wurde das Projekt Superkühe realisiert, bei dem mittels Sensoren Daten direkt aus den Pansen von drei Kühen gesammelt wurden, die dann von MediennutzerInnen live abgerufen werden konnten und Aufschluss über den Gesundheitszustand der Tiere gaben. Um das Ganze zu personalisieren und für NutzerInnen attraktiver zu gestalten, wurden die erhobenen Daten mittels eines Chatbots in Ich-Botschaften übersetzt, sodass sich die NutzerInnen gewissermaßen mit den drei Kühen “unterhalten” konnten. Die Ergebnisse des Projekts sind heute noch online unter https://superkuehe.wdr.de abrufbar. 2019 wurden für das WDR-Projekt #bienenlive kleinste Sensoren in Bienenstöcken und sogar auf den Bienen selbst angebracht. So konnten MediennutzerInnen live das Leben der Bienen verfolgen. Das Projekt wurde mit dem deutschen Reporterpreis ausgezeichnet. Weitere Infos unter: https://bienenlive.wdr.de/

So spannend solche Projekte auch sind, die Arbeit menschlicher JournalistInnen können sie nicht ersetzen, so Jakob Vicari. Für ihn ist die Sensortechnologie lediglich ein wertvolles journalistisches Werkzeug, mit dem sich viel schneller als bisher viel mehr Informationen sammeln und auswerten lassen. Dies mag dem unter JournalistInnen grassierenden, frustrierenden Gefühl, den Entwicklungen immer “einen Schritt hinterher” zu sein, endlich Abhilfe schaffen