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Rezension zu Uwe Krügers »Meinungsmacht« in der FAZ

Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 209, 9.9.2013

Boris Holzer hat in Ausgabe 209 der Frankfurter Allgemeinen Zeitung den Band Meinungsmacht. Der Einfluss von Eliten auf Leitmedien und Alpha-Journalisten – eine kritische Netzwerkanalyse von Medienwissenschaftler Uwe Krüger besprochen, in dem der Autor auch die Berichterstattung in der FAZ untersuchte.

Von der politischen Öffentlichkeit demokratischer Staaten erwarte man, dass sie nicht nur eine, sondern viele Meinungen toleriere – eine von allen geteilte Meinung zu einem Thema gäbe es nicht und dennoch entstünde oft der Eindruck, »dass das Potential möglicher Meinungen zu einem Thema nicht recht ausgeschöpft wird.« Ergibt sich daraus jedoch ein Meinungsbild, das auch noch »den Präferenzen der Regierenden oder einflussreicher Gruppen entspricht«, stelle sich die Frage: »Wer manipuliert eigentlich – und wie?«

Alpha-Journalisten würden nicht genötigt, bestimmte Meinungen zu vertreten, sondern von Politik- und Wirtschaftseliten »kognitiv vereinnahmt«. Um dies zu verdeutlichen, untersuchte Uwe Krüger die Verbindungen von Journalisten zu 82 Organisationen und die Artikel von vier Journalisten zu Fragen der Sicherheitspolitik inhaltsanalytisch: 2002-2010 berichteten die FAZ, die Süddeutsche Zeitung (Stefan Kornelius), die Welt und Die Zeit (Josef Joffe) »›unkritisch bis persuasiv‹ und übernahmen insbesondere den Auslandseinsätze legitimierenden ›erweiterten Sicherheitsbegriff‹.« Frankfurter Rundschau und taz »berichteten zwar anders, vertraten aber keine klare Gegenposition«. Laut Krüger können diese Befunde nicht belegen, »dass die Kontakte zu einschlägigen Organisationen und Gesprächskreisen tatsächlich die Berichterstattung beeinflussen«, eine »starke Affinität zwischen den Verbindungen zu ›US- und Nato-nahen Organisationen‹ und einer mit der Politik dieser Organisationen wohlwollend umgehenden Berichterstattung« sei jedoch erkennbar. Die Unterschiede in der Berichterstattung seien laut Krüger nicht sehr aussagekräftig, dass sich die Journalisten auf »Basis eines ›erweiterten Sicherheitsbegriffs‹ für ein deutsches Engagement bei Nato-Einsätzen stark machen« hingegen schon.

Wählen die Journalisten ihre Gesprächspartner und Engagements aufgrund ihrer Meinungen – oder umgekehrt? Das ist nicht unbedeutend, weil davon auch die Bewertung der Ergebnisse abhängt. Denn Krüger möchte natürlich nicht nur darauf hinweisen, dass verschiedene Printmedien unterschiedlich berichten. Es geht ihm vielmehr darum, dieses Bias zu erklären – und zu bewerten. In seinem Buch ist deshalb oft von »journalismusethischen« und »demokratietheoretischen« Erwartungen die Rede, die durch die vorliegenden Ergebnisse enttäuscht würden. […] Wenn man dem Journalisten die »Berufsrolle des neutralen Beobachters« zuweist, von der Berichterstattung grundsätzlich mehr erwartet, als die Meinungsvielfalt der politischen Eliten abzubilden, und dies von einer »funktional höheren Warte« aus, so ist die Enttäuschung im Grunde vorprogrammiert. Es bleibt dem normativen, sich an ethischen Maßstäben orientierenden Beobachter unbenommen, anspruchsvolle Erwartungen zu formulieren und sich auch von Enttäuschungen nicht irritieren zu lassen.

So sei »ungeachtet der im Detail aufschlussreichen Ergebnisse von Krügers Studie« die Furcht nicht unbedingt teilbar, »dass die öffentliche Meinung insgesamt durch politische und wirtschaftliche Eliten kontrolliert würde. Aus Sicht mancher der genannten Zeitungen könnte es aber durchaus Anlass zur Besorgnis geben, wenn ihre Journalisten sich in so vielen Netzwerken, Gesprächskreisen und Foren engagieren: Man fragt sich, ob sie für intensive Recherchen überhaupt noch Zeit haben.«

[Hier] geht es zur Anmeldung für Dr. Uwe Krügers Vortrag Unabhängigkeit in Gefahr. Deutsche Top-Journalisten und ihre Netzwerke in Politik und Wirtschaft am 12. September 2013!