Skip to content Skip to footer

Noch eine Frage bitte, Herr Meyen

Michael Meyen erzählt in "Das Erbe sind wir" drei Geschichten: die Geschichte der Journalistenausbildung in der DDR, die Geschichte der Kommunikationswissenschaft in der westlichen Welt und seine eigene Geschichte, die eng mit den ersten beiden Geschichten verbunden ist.

In Ihrem Buch geht es um Ihre Geschichte und die Ihrer Journalistenausbildung in der DDR – und trotzdem erzählen Sie so viel mehr. Ist das Erzählen persönlicher Geschichten ein Modus des Geschichteschreibens, der zu oft übersehen wird?

Der Mensch ist ein Geschichtentier. Wir wollen wissen, wie es anderen ergangen ist, um uns selbst zu verstehen und um das zu legitimieren, was wir irgendwann entschieden haben. Was ich außerdem bei vielen Jubiläumsveranstaltungen in den letzten Monaten gesehen habe: Die Deutschen kennen die Geschichten der anderen oft nicht und haben ein Bedürfnis, sich zu erklären. Viele haben ihre Redebeiträge mit einem persönlichen Statement eingeleitet. Wo war ich vor 1989, welche Beziehungen habe ich zum anderen Teil des Landes? Dann weiß man viel besser, wie das einzuordnen ist, was gleich kommt.

Sie haben sich für den Titel Das Erbe sind wir entschieden, obwohl Sie in Ihrem Buch auch von anderen ausgereiften Titelideen sprechen. Wieso wurde es letztendlich dieser gewichtige Titel?

Meine erste Idee war: Rückkehr nach Leipzig. Eribon. Ich will ja meine persönliche Geschichte mit dem großen Ganzen verbinden. Da hätte das gepasst. Dann kam der BMBF-Forschungsverbund „Das mediale Erbe der DDR“, bei dem ich Sprecher bin, und vor allem kamen viele Gespräche mit Menschen, die in der DDR ausgebildet wurden und heute im Journalismus arbeiten. Ich habe gesehen: Diese Menschen vertreten Ideale, mit denen man die Vertrauenskrise der Medien angehen könnte. Sie trauen sich aber oft nicht, das auch offensiv zu vertreten, weil sie Angst haben, dass ihre Vergangenheit sie einholt. Deshalb Das Erbe sind wir. Da steckt auch ein Anspruch drin.

Unter der Überschrift “Was von dieser Geschichte bleibt” sollte ursprünglich das letzte Kapitel Ihres Buches geschrieben werden. Sie haben sich dagegen entschieden und Ihre Geschichte für sich sprechen lassen. Was hoffen Sie, bleibt von der Geschichte?

Schwierig. Im besten Fall gibt es eine Diskussion. Wie gehen wir mit Biografien um, die von der westdeutschen Norm abweichen? Ich würde mir wünschen, dass man die Ostdeutschen als Bereicherung sieht und nicht mehr nur als Problem. Wir haben die symbolische Sinnwelt, die die Ordnung der Gegenwart legitimiert; nicht schon mit der Muttermilch bekommen, sondern mussten dort erst hineinwachsen. Ich glaube, dass wir deshalb eher in der Lage sind, blinde Flecken zu sehen. Dass wir das brauchen, auch und gerade im Journalismus, liegt auf der Hand. Die Herausforderungen werden ja nicht kleiner.