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Noch eine Frage bitte, Frau Schmidt

Franzisca Schmidt über ihre Neuerscheinung "Populistische Kommunikation und die Rolle der Medien. Der Umgang der Presse mit Parteien- und Medienpopulismus im Europawahlkampf 2014"

In Ihrem Buch geht es, wie der Titel ankündigt, um Populistische Kommunikation und die Rolle der Medien. Was sind die typischen Rhetorikelemente populistischer Kommunikation, die Sie untersucht haben?

Das wichtigste Element ist der Volksbezug, die eigentliche Voraussetzung dafür, dass eine Aussage als populistisch gilt. Dabei beruft sich ein Sprecher auf ‘das Volk’, verteidigt dieses oder tritt für dessen Interessen ein, etwa indem er die angeblichen Anliegen des Volkes unterstützt oder vorgibt, als Vertreter des Volkswillens in dessen Namen zu sprechen.
Das zweite Element ist die Establishment-Kritik, die die Distanz und Entfremdung zwischen den gewöhnlichen Bürgern und den Eliten ‘da oben’ betont. Dabei äußert der Sprecher Kritik am politischen Establishment oder kritisiert wirtschaftliche und kulturelle Eliten – zum Beispiel die Zentralbanken, Intellektuelle oder die Medien.
Das dritte Element ist die rhetorische Ausgrenzung bestimmter gesellschaftlicher Gruppen, die nicht über die tugendhaften Eigenschaften des Volkes verfügen und daher als gefährlich oder störend für die Gemeinschaft wahrgenommen werden. Im Zuge einer solchen Exklusion greift ein Sprecher bestimmte Nationalitäten oder Gruppen innerhalb einer Gesellschaft an – etwa Immigranten, Asylsuchende oder Minderheiten –, indem er diese verdächtigt, diskreditiert oder als gesellschaftliche Bedrohung darstellt.

Die traditionellen Massenmedien haben in Wahlkampfsituationen eine Funktion als Gatekeeper, indem sie spezifische Nachrichteninhalte für die Veröffentlichung auswählen, aufbereiten und interpretieren. Was konnten Sie auf Basis Ihrer Untersuchungsergebnisse länderübergreifend bezüglich des Wechselspiels zwischen populistischer Parteien- und Medienkommunikation feststellen? 

Die eigentlichen populistischen Aussagen, die von politischen Akteuren im Wahlkampf ausgehen, bilden die Massenmedien relativ selten in den Nachrichten ab. In allen untersuchten Ländern wirken die Medien damit erst mal korrigierend auf die Verbreitung von Parteienpopulismus und filtern diesen aus der Berichterstattung.  Dies ist einigermaßen erstaunlich, da populistischen Kommunikationsinhalten im Allgemeinen ein hoher Nachrichtenwert und damit eine hohe Publikationswürdigkeit zugeschrieben wird. Die spannende Frage, die sich hier auftut, ist deshalb: Machen die Medienschaffenden das bewusst und aus idealistischen Gründen oder spielen hier schlicht Platzbeschränkungen und journalistische Arbeitstechniken eine Rolle?

Wie Sie in Ihrer Arbeit schreiben, stellen populistische Parteien nicht nur das liberale Demokratiemodell infrage, sondern haben darüber hinaus ein nicht zu unterschätzendes Potenzial zur gesellschaftlichen Polarisierung. Welche Rolle kommt Massenmedien Ihrer Meinung nach tatsächlich bei der Verbreitung von Populismus zu?

Aus einer normativen Perspektive sollte es Aufgabe der Massenmedien sein, möglichen Gefahren für die freiheitliche Demokratie entgegenzuwirken, indem sie sowohl als politische Foren als auch als Sprecher dazu beitragen, dass der politische Diskurs nicht von Populismus und damit einer illiberalen Grundhaltung durchdrungen wird. Meiner Meinung nach ist es aber zentral, dass die Medienschaffenden dabei mit Bedacht vorgehen und sich aus verschiedenen Perspektiven über die Konsequenzen ihrer Entscheidungen bewusst sind:
Der Verbreitung populistischer Parteienargumente entgegenzuwirken kann zwar wünschenswert sein, weil dem Populismus dadurch keine Plattform gegeben wird. Sobald in der Bevölkerung aber der Eindruck entsteht, dass bestimmte Kommunikationsinhalte unverhältnismäßig stark aus der Berichterstattung gefiltert werden, riskiert die Presse eben auch, dem seit einiger Zeit von den Populisten ausgehenden Vorwurf der ‚Lügenpresse’ eine größere Angriffsfläche zu geben.
Davon abgesehen ist es fraglich, ob das alleinige Filtern der Parteienkommunikation ausreicht, um populistischen Tendenzen entgegenzutreten. Eine Konstellation, wie sie etwa bei den griechischen Medien auftritt, scheint mir trotz korrigierender Wirkung problematisch: Die Presse lässt nicht nur die Populisten stärker in der Berichterstattung sichtbar werden, sie selbst prägt den politischen Diskurs durch populistische Kommentare entscheidend mit – und zwar ohne dabei die eigentlichen treibenden Kräfte hinter dem Populismus, die politischen Parteien, durch die Widergabe ihrer populistischen Äußerungen zu entlarven.