Skip to content Skip to footer

Noch eine Frage bitte, Felix Koltermann

Felix Koltermann richtet zum ersten Mal den Blick auf die bildredaktionellen Praktiken im Print- und Online-Journalismus und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Debatte über den Stellenwert der Fotografie im zeitgenössischen Journalismus.

Welchen Stellenwert hat die Fotografie im modernen Journalismus?

Ohne Fotografien ist der zeitgenössische Journalismus eigentlich nicht zu denken. Dies gilt insbesondere für den Online-Journalismus. Wobei in jüngster Zeit durchaus auch andere Form der Visualisierung das fotografische Bild ablösen. Der Fotografie kommen dabei verschiedene Funktionen zu: Sie informiert oder kommentiert, weckt Aufmerksamkeit und strukturiert Inhalte. Ein entscheidender Punkt ist jedoch, dass nicht alle in journalistischen Produkten publizierten Fotografien auch journalistische Fotografien sind. Der zeitgenössische Journalismus verwendet eine Vielzahl fotografischer Bilder und natürlich solche mit fotojournalistischem Ursprung. Aber er verwendet eben auch Stock-Fotografien oder Bilder aus dem PR-Bereich. Insofern ist es zentral, Fotografie im Journalismus nicht mit Fotojournalismus gleichzusetzen.

Gibt es Unterschiede zwischen Zeitungen, Zeitschriften und Online?

Selbstverständlich. Die Unterschiede betreffen zum einen das Produkt selbst und zum anderen den bildredaktionellen Arbeitsprozess. Der fundamentale Unterschied zwischen Print und Online ist, dass eine einmal gedruckte Seite ein statisches Produkt ist. Die einmal gewählte Platzierung und damit vorgenommen Beziehung von Bild und Text lässt sich also nicht mehr ändern. Ganz anders hingegen beim Online: Hier ist es nicht nur so, dass Bilder ausgetauscht werden können – was aus unterschiedlichen Gründen auch immer wieder passiert – sondern dass sich Websites aufgrund der responsiven Gestaltung in Form und Größe verändern, weil sie sich an das jeweilige Gerät – zum Beispiel dem Smartphone oder dem Laptop – anpassen. Auf den bildredaktionellen Arbeitsprozess bezogen ist der zentrale Unterschied, dass es im Online eigentlich keinen festen Redaktionsschluss gibt. Im Print hingegen müssen sowohl für tagesaktuelle Medien wie die Zeitung als auch etwa für monatlich oder wöchentlich erscheinende Zeitschriften zu einem bestimmten Zeitpunkt Bilder und Texte feststehen, damit diese in Druck gehen können. Danach beginnt der Prozess von vorne. Darüber hinaus gibt es aufgrund längerer Planungsphasen – insbesondere bei Zeitschriften – sehr viel mehr Spielraum zu bewusster Gestaltung und bildredaktioneller Arbeit. Auch im Online können natürlich Projekte langfristig geplant werden, aber hier werden sehr viele Artikel pro Tag veröffentlicht. Ein weiterer wesentlicher Unterschied ist, dass im Online alle Artikel bebildert werden, während im Print eine bewusste Auswahl der Artikel stattfindet, die mit einem Bild versehen werden.

Wie wird sich die künstliche Intelligenz Ihrer Meinung nach auf die Fotografie im Journalismus auswirken?

Auch wenn im Moment noch unklar ist, in welcher Art und Weise, die KI den Journalismus verändern wird, ist klar, dass sie dies tun wird. Wir sehen gerade, dass durch KI generierte Bilder eine neue Debatte um Authentizität anstoßen. Dies kann dazu führen, dass die Bedeutung journalistischer Fotografien noch einmal zunehmen wird. Ein weiteres Element ist die Bedeutung der KI im redaktionellen Arbeitsprozess. Anwendung findet die KI heute bereits in Bilddatenbanken bei der automatischen Verschlagwortung von Bildern. Es gibt auch erste Versuche, den bildredaktionellen Prozess einer KI zu überlassen und Texten automatisch Bildern zuzuordnen. Ich kann mir vorstellen, dass dies insbesondere auf rein werbefinanzierten Nachrichtenplattformen, die hauptsächlich mit Agenturmaterial arbeiten, in Zukunft der Standard sein wird. Es ist in jedem Fall ein Feld, zu dem kommunikationswissenschaftliche Forschung dringend nötig ist, da diese Prozesse unbedingt kritisch begleitet werden müssen.

 

 

 

 

Weitere Informationen zum Buch Fotografie im Journalismus. Bildredaktionelle Praktiken im Print- und Online-Journalismus von Felix Koltermann erhalten Sie hier.