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Last und Erleichterung

Der Vortrag "Sprache ist Politik" von Elisabeth Wehling im Rückblick

Wenn politische Parteien in den Wahlkampf gehen, dann tun sie das nicht ohne intensive Beratung und Begleitung durch Profis aus den Bereichen PR und Kommunikationsstrategie. Es reicht längst nicht mehr aus, durch einfaches Aufzählen des bisher Erreichten oder bloße Ankündigungen zu möglichen Veränderungen im Haushaltsplan das Wahlvolk auf seine Seite bringen zu können. Der kommunikationswissenschaftliche Begriff, der hier nun ins Spiel kommt, ist der des „Framings“. Das „Framing“ lässt sich mit dem Transformieren einer politischen Information in eingängige und emotionalisierende Denkmuster übersetzen. Frau Dr. Elisabeth Wehling, in den USA lebende Linguistik-Wissenschaftlerin, stellte am 17. Februar 2016 in einer Vortragsveranstaltung im Herbert von Halem Verlag ihr mit Spannung erwartetes neues Buch zu diesem Thema vor: „Politisches Framing. Wie eine Nation sich ihr Denken einredet – und daraus Politik macht“.

Wehling während Vortrag
Elisabeth Wehling bezog die Zuhörer immer wieder in ihren Vortrag mit ein. (Foto: Maria Schulz)

Frau Wehling begann ihren Vortrag mit einer einfachen Aufgabe für das Publikum. Sie bot zwei Begriffe („Last“ und „Erleichterung“) an, zu denen die Anwesenden naheliegende Assoziationen finden sollten. “Last” wurde recht übereinstimmend mit negativen Übersetzungen wie „schwer“, „Bürde“ und „Ballast“ in Verbindung gebracht, die Wortmeldungen zu “Erleichterung” erbrachten entsprechend positiv besetzte Synonyme. Bringe man diese Resultate nun in einen Bezug zum finanzpolitischen Terminus der „Steuern“, so erscheine nun auch die von den Bürgern zu tragende „Steuerlast“ im negativen Licht. Es entstehe damit also der Frame, dass das Entrichten von Steuern einen tunlichst zu vermeidenden Ballast darstelle und alle darum bemüht sein sollten, sämtliche Möglichkeiten zu Steuererleichterungen für sich auszuschöpfen. Eine kognitiv wirksame Darstellung, dass jeder Bürger durch seine persönlichen Steuerbeiträge einen wichtigen Anteil am funktionierenden Gemeinwohl habe, könne damit nicht mehr erreicht werden. Für das Formulieren von wirksamen Slogans für die Steuerpolitik eignen sich somit im Sinne des Framings nur solche, die eine Steuererleichterung versprechen. Eine Ankündigung zur Stärkung der Gemeinschaft durch eine Verbesserung der Einnahmeseite wäre dagegen als Botschaft fatal, selbst wenn sie politisch gewollt und notwendig sein könnte.

Elisabeth Wehling auf dem Podium des Verlag
Tolle Atmosphäre in den Verlagsräumen (Foto: Maria Schulz)

Frames seien in der Lage, einer beschriebenen Problematik unterschwellig Tendenzen zu geben. Das Wort des vergangenen Jahres, „Flüchtling“, beinhalte durch den Suffix „-ling“ eine Form der Verniedlichung und induziere wie bei „Schreiberling“ oder „Schönling“ ein Negativ-Image. Durch das geschlechtsspezifische „Der“ werde „Der Flüchtling“ auf eine negative, männlich-starke, also potenziell gefährliche Person reduziert. Im vielfach benutzten Frame der „Flüchtlingskrise“ würden sowohl die Ursachen des zugrunde liegenden Problems als auch mögliche Lösungen komplett ausgeblendet. Es bleibe eine einseitige und negative Fokussierung auf etwas Bedrohliches. Dagegen könne dem Begriff der „Globalen Erwärmung“ durch den implementierten Frame der „Wärme“ eine eher angenehme und positive Wirkung zugesprochen werden. Das sei eine wahre sprachliche Glückspille, so Wehling, der Mensch erscheine in seinem klimaschädlich wirkenden Handeln eher bestätigt und durch die täterlose Formulierung gebe es für ihn auch keine Verantwortlichkeit. Selbst der „Klimawandel“ trage lediglich die neutrale Information einer Veränderung in sich, eine Tendenz zur Verschlechterung bleibe negiert, ebenso ein Appell zur sparsameren Verwendung unserer natürlichen Ressourcen.

Ein zufriedenes Publikum
Das Publikum im Herbert von Halem Verlag dankt für einen höchst anregenden Vortrag (Foto: Maria Schulz)

Es gelte also, mittels der sprachlichen Verwendung von passenden Denkmustern, unsere Einstellungen und Handlungsweisen zu determinieren. Jedes Wort aktiviere einen abgelegten Frame in unserem Gehirn. Es sei wichtig zu wissen, dass unser Denken komplexer und automatischer erfolge, als wir uns das gemeinhin vorstellten. Bis zu 98% der kognitiven Vorgänge im Gehirn geschähen unbewusst. Das Abgleichen von neuen Informationen mit altem, abgelegtem Wissen erfolge autonom. Es würden fortwährend neue semantische Verknüpfungen von Informationen und Sinneseindrücken in unserem Gehirn angelegt. Das Denken sei mittels der Verwendung und ständiger Wiederholung von Frames veränderbar. Durch die Verbindung von Aussagen mit Attributen könne die persönliche Wahrnehmung gelenkt werden. Es sei ein deutlicher Unterschied, ob man z.B. eine Aussage als „falsch“ oder „ekelerregend“ bezeichne. Der deutlich negative Frame des „Ekels“ würde in uns mit dem Gesagten verknüpft und somit eine Einstellung hierzu erzeugt.

Wehling mit Zuhörern
Im Anschluss an den Vortrag ergaben sich bei Wein und Käse noch viele Gespräche. (Foto: Maria Schulz)

Die Frames bestimmten zudem, auf welche Art und Weise wir Fakten wahrnähmen. Dies sei beispielgebend in der beinahe komplett gescheiterten Gesundheitsreform des US-Präsidenten Barack Obama in den Vereinigten Staaten deutlich geworden. Durch positive Meinungsumfragen im Vorfeld der Abstimmungen habe er seine Kampagne lediglich auf das wiederholte Benennen des 16-Punkte-Plans gestützt. Die stark auf Emotionen setzenden Kampagnen der Konservativen mit den Aussagen, dass diese Reform eine Einschränkung der Verbraucherrechte und eine Beschneidung der persönlichen Entscheidungsfreiheit jedes Einzelnen darstelle, hätten schließlich zu einer deutlichen Abnahme der Zustimmung und einer nur sehr abgespeckten und reduzierten Umsetzung von „Obama-Care“ geführt. Als weiterer Beleg wurde eine Studie beschrieben, in der zwei Gruppen von Menschen beauftragt wurden, Entscheidungen für oder gegen eine als notwendig deklarierte Operation zu treffen. Gruppe 1 wurde über eine Genesungschance von 90% informiert, Gruppe 2 über eine Sterberate von 10%. Die Mitglieder aus Gruppe 2 hätten sich aufgrund der Fokussierung auf das mögliche Ableben gegen die OP entschieden, Gruppe 1 mit dem Blick auf die Heilung dafür. Der stark emotional besetzte Frame „Sterben, Tod“ habe somit unbewusst trotz der faktisch ungleich höheren Chance des Überlebens die Entscheidung gegen die Durchführung geprägt.

Frau Wehling wird ihr Buch in weiteren Veranstaltungen in Deutschland und Österreich vorstellen, weitere Informationen erhalten Sie hier.

Text: Manfred Weichselbaumer, Fotos: Maria Schulz