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Nach der Arabellion

Bericht über das Podiumsgespräch mit Judith Jäger, Christopher Resch und Janis Brinkmann

Fünf Jahre ist es im Dezember her, dass der ›Arabische Frühling‹ begann und das Leben im Nahen Osten nachhaltig veränderte. Die Autokraten Tunesiens und Ägyptens, Ben Ali und Mubarak, wurden zum Rücktritt gezwungen, das Gaddafi-Regime in Libyen wurde nach 42 Jahren gestürzt und auch in Jordanien wurde die Regierung mehrfach umgebildet. Heute befinden sich diese Länder nach wie vor in einem schwierigen Transformationsprozess, der sie nicht zur Ruhe kommen lässt.

Zum Thema Nach der Arabellion. Zur Lage der Pressefreiheit in Ägypten und zur Islamberichterstattung in Deutschland trafen sich auf dem Verlagspodium am 18. November Judith Jäger und Christopher Resch, Herausgeber der Sammlung von Erfahrungsberichten ägyptischer und deutscher Journalisten Medienfreiheit in Ägypten. Zum journalistischen Arbeiten in Ägypten nach der Arabischen Revolution, mit Autor Janis Brinkmann, der mit seiner Dissertation Ein Hauch von Jasmin eine quantitative und qualitative Medieninhaltsanalyse der deutschen Islamberichterstattung vor, während und nach der Arabischen Revolution veröffentlichte. Herbert von Halem führte durch das Gespräch.

Zwei Fragen sollten an diesem Abend geklärt werden: Wie sind die Bedingungen, unter denen Journalismus in der arabischen Welt entsteht? Und wie stellt sich die Islamberichterstattung deutscher Medien dar, wie realistisch ist das uns vermittelte Bild?

Entstehung von Medienfreiheit in Ägypten

»Das Buch war eine Schnapsidee nach meiner Rückkehr aus Kairo« erzählte Judith Jäger zur Entstehung des Bandes über die ägyptische Medienfreiheit. Sie und Christopher Resch verbrachten jeweils ein Jahr am Kairoer Goethe-Institut. Die Erfahrungsberichte der deutschen und ägyptischen Journalisten und Medienarbeiter sollen einen Blick »hinter die Headlines« ermöglichen und klar machen, dass es anders ist, Journalist in einem Land zu sein, in dem es kracht und in dem ihnen zum Teil schwere Repressalien drohen, wenn sie sich nicht an die engen Vorgaben für die Berichterstattung halten. Die Reaktionen auf das Projekt seien sehr positiv gewesen, so Resch, interessant war aber vor allem, dass die großen deutschen Medien wie z.B. die FAZ keine Zeit und somit vermutlich kein Interesse hatten, sich daran zu beteiligen. Auf die Frage nach der Chronologie der Veränderung des Mediensystems in Ägypten schilderte Jäger das große Freiheitsgefühl, das nach dem Sturz Mubaraks herrschte. Neben der regulären Berichterstattung nahm vor allem der Bürgerjournalismus zu. Das sei jedoch relativ schnell eingeknickt und unter Mursi ging ein regelrechter Riss durch die Reporterschaft: Entweder war man für oder gegen die Regierung, beide Anteile machten jeweils ungefähr 50 Prozent aus. Doch egal, für welche Seite man sich entschied, man teilte die gleichen Vorgaben: als Ägypter das Land nicht verlassen zu dürfen, als Journalist keine große Wertschätzung zu erfahren und keine freie Berichterstattung. Per Gesetz wurde geregelt, was veröffentlicht werden durfte und was nicht. So waren beispielsweise Details über Anschläge und Opferzahlen verboten. Ausländische Journalisten wurden dafür eher mit einer Geldstrafe geahndet, während einheimischen Gefängnis drohte. Ganz genau wusste jedoch niemand, welche Strafe ihn für welches Vergehen erwartet und auch diese Willkür war Absicht, so Resch.

Entstehung von Ein Hauch von Jasmin

Die Arabische Revolution war auch das Schlüsselereignis für das Buch von Janis Brinkmann. Nach 9/11, als sich der Ton der Islamberichterstattung dramatisch verschlechterte, wehte endlich wieder ein Wind der Hoffnung durch das Gebiet, das lange nur für seine Schrecken und Kriege bekannt war. Die tiefgreifenden politischen, ökonomischen und sozialen Umwälzungen euphorisierten nicht nur die beteiligten Länder, sondern auch die westlichen Medien. Vor diesem Hintergrund untersuchte Brinkmann mit einer kombinierten Medieninhaltsanalyse die Islamberichterstattung von SZ, FAZ, Stern und Spiegel während der Revolution von Januar bis März 2011 sowie im gleichen Zeitraum ein Jahr danach. Sein Fazit: Berichte über islamische Themen waren großteils negativ, teilweise sogar noch schlechter als vorher. Dies sei unter anderem erklärbar mit dem eingeschränkten Platz, der für Auslandsthemen in gedruckten Blättern bleibe. So betrachtet sei es kein spezielles Problem des arabischen Raumes und beträfe beispielsweise Subsahara-Afrika in gleichem Maße. Der Leser möchte über die ›K’s‹ informiert werden: Krisen, Kriege, Konflikte, Katastrophen, daher werde der wenige Platz ausschließlich für politische Themen genutzt. Kultur, Sport, Feuilleton und Wirtschaft bleiben dabei auf der Strecke.

Unterschiede in der Berichterstattung

Die Medien haben anders von Situationen in Kairo berichtet, als Jäger sie vor Ort empfunden hat. Aber wie man Situationen empfände, sei auch eine Frage der Integration – andererseits war aber auch in Kairo nicht immer spürbar, worüber bei uns intensiv berichtet wurde. Geschrieben werde viel, so Resch, aber nicht alle Themen fänden Eingang in unsere westliche Presse, wie schon Brinkmann erläuterte. So bekam beispielsweise Andrea Backhaus, die als freie Journalistin über den Nahen und Mittleren Osten schreibt, nur zu wenigen Themen wie »Frauen im Islam« Anfragen vonseiten der Verlage. Es werde verlangt, brutal und schrecklich zu berichten, kulturelle Themen würden meist abgelehnt, so Jäger. Brinkmann meint dazu: Oft sein in gedruckten Zeitungen und Magazinen im Gegensatz zum Internet schlichtweg nicht genug Platz für eine breite Berichterstattung, da ginge ein Bombenattentat vor eine Reportage über eine afghanische Rennfahrerin, da es den Leser in unseren Breitengraden verständlicherweise mehr interessiere.

Wie bekommen wir ein realistischeres Bild von der arabischen Welt? Wie kann die Auslandsberichterstattung verbessert werden?

»Wir müssen verstehen, dass nicht nur Krieg und Krisen daherkommen und wir müssen als Rezipienten offen sein« findet Resch. Verschiedene Portale wie Qantara oder Zenith und auch die Deutsche Welle fördern den Austausch und eine breitere Berichterstattung. Man dürfe auch nicht vergessen, so Jäger, dass die Journalistenausbildung in Ägypten staatlich beeinflusst sei, eine kritische Meinung nicht gefördert würde und Gegenbewegungen es nicht leicht hätten.

Brinkmann meint, das Problem beträfe ja auch nicht nur den arabischen Raum, sondern auch andere Krisenregionen. Das Ressort ›Ausland‹ ist eines der teureren und das Publikum müsse mit einbezogen werden: Wenn dieses Druck auf die Medien ausübe, würde sich auch etwas ändern. Der Leser kann in Dialog mit den Medien treten, durch Leserbriefe, egal über welchen Kanal, er kann an Befragungen teilnehmen oder auch Leserstammtische besuchen. Nur wenn er gar kein Feedback gibt, heißt das für die Verlage, er sei mit allem einverstanden. Ein weiteres Problem sei auch, dass die Medien Migranten oft nicht als Publikum wahrnehmen würden.

Zukunftswünsche

Resch wünscht sich, dass Journalisten in Zukunft frei arbeiten können. Dies sei in Ägypten mit der aktuellen Bedrohungslage verknüpft, die sich dringend lösen müsse. Eine Änderung muss aus der Gesellschaft heraus passieren, so Jäger, die könne man nicht von außen auferlegen. Problematisch sei es, wenn Teile der Bevölkerung gar keine Veränderung anstrebe, weil sie der Meinung seien, von Al-Sisi beschützt zu werden.

»Die ökonomische Notwendigkeit zu kürzen wird bleiben«, so Brinkmanns Antwort auf die Frage, ob die Presse sich aus Kostengründen aus Ländern zurückziehen werde, die den Leser nur am Rande interessierten. Dies sei ein großer Verlust, so müssen immer weniger Korrespondenten immer größere Gebiete abdecken. Ein guter Weg für Tageszeitungen sei sicherlich, ihren Fokus auf bestimmte Themen zu legen. Letztlich könne man auf jeden Fall sagen, dass die jungen Menschen die Arabische Welt ins neue Jahrtausend tragen werden. Momentan steht die Medieninformationsfreiheit, die für uns so elementar ist, noch hinter der Medienkontrolle durch die Regierung.

Interessante Links zum Thema Islam: http://mediendienst-integration.de/links.html