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Mediennostalgie als Reaktion auf Resonanzverlust

Ein Rückblick auf den Vortrag von Dr. Manuel Menke

Aktuell wird Nostalgie im öffentlichen Diskurs eher negativ gesehen. Auf der politischen Bühne denken wir unwillkürlich an den Brexit und den bekannten US-amerikanischen Wahlspruch „Make America great again“. Bestimmte Bevölkerungsgruppen (rechts und links) wünschen sich die ‚guten‘ alten Zeiten zurück. Wo sind aber die positiven Seiten der Nostalgie zu finden?

Dr. Manuel Menke zeigte in seinem Vortrag auf, dass viel Produktives und Kreatives in der Nostalgie zu finden sei. Hierfür erklärte er zunächst den Begriff mithilfe eines semantischen Blumenstrauß‘: Nostalgie ist behaftet mit Emotion, Gefühl, Affekt sowie mit Erinnerungen und Erfahrungen. Menschen erinnern sich, romantisieren, schwelgen, besinnen und gehen in sich. Meist sind es positive Erinnerungen aus der Kindheit und Jugend. Hinzu kommt ein Gefühl von Trauer und Wehmut, was zunächst widersprüchlich wirkt. Zusammengefasst kann man von einer ‚bittersüßen‘ Emotion sprechen.

Aus historischer Sicht wurde Nostalgie zuerst als Krankheit gedeutet. Die Sozialpsychologie beleuchtet das Phänomen aus individueller Perspektive: ausgelöst durch Einsamkeit, Unbehagen, Existenzsangst usw. ist Nostalgie nicht der Grund für emotionale Belastung, sondern eine Ressource im Umgang mit ihr. Kulturwissenschaftlich betrachtet, wird Nostalgie als eine Emotion der Moderne verstanden. Diese entsteht als gesellschaftliches Phänomen aus dem gemeinsamen Erleben von Wandel aufgrund von Urbanisierung und Industrialisierung. Die Soziologie sieht Nostalgie als eine soziale Emotion und stellte erstmals die Frage danach, welche Rolle dabei die Medien bzw. die Massenmedien spielen.

In seiner Arbeit führt Dr. Menke die unterschiedlichen Perspektiven zusammen und liefert den Missing Link zwischen Individuum und Gesellschaft: die ‚kollektive Emotion‘. Diese kollektiven Emotionen brauchen sogenannte ‚joint commitments‘. Sie werden verstärkt durch medienvermittelte Kommunikation. Technologien können dabei einen entscheidenden Beitrag leisten. Online-Plattformen bieten beispielsweise die Möglichkeit, über durch Gesellschaftswandel in der Spätmoderne bedingte Entfremdung und Resonanzverlust (vgl. Hartmut Rosa) zu kommunizieren.

Der Autor hat hierfür verschiedene Facebook-Gruppen als Kommunikationsumfeld unter die Lupe genommen. Es zeigt sich, dass digitale kommunikative Erinnerungspraktiken als Bindeglied dienen können. Durch das Handeln einzelner Personen gelangt die Erinnerung in die Gruppe und soziale Kommunikationsräume können entstehen. In den einzelnen Online-Beiträgen und Interviews wurde deutlich, dass Resonanz und gemeinsames Erinnern für die Gruppenmitglieder/Befragten von besonderer Bedeutung sind. Medien repräsentieren dabei oftmals eine bestimmte Zeit oder bieten den Einstieg für ein gemeinsames Erinnern.

Im Anschluss an den Vortrag wurden durch Fragen aus dem Publikum weitere Aspekte der Mediennostalgie diskutiert und konnten danach bei Käse und Wein vertiefend besprochen werden.