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Kölner Mediengespräche: Vom Wandel religiöser Motive in deutschen Zeitschriften

Am 12. Februar sprach unsere Autorin Prof. Dr. Tanja Maier über ihr neues Buch Die (un-)sichtbare Religion.

Angefangen habe alles eigentlich mit den Anschlägen vom 11. September 2001, erläutert Tanja Maier ihre Motivation, sich mit dem bisher wenig erforschten Thema der Sichtbarkeit christlicher Motive in den Medien zu befassen. Man habe im Bekanntenkreis darüber gesprochen, dass der Islam infolge der schrecklichen Terroranschläge wahrscheinlich sehr stark in den Fokus der medialen Berichterstattung rücken werde. Maier habe sich daraufhin die Frage gestellt, inwieweit denn eigentlich die christliche Religion in den Medien präsent sei. Diese Frage behandelt sie in ihrer Habilitationsschrift, die nun in Form des Buches Die (un-)sichtbare Religion vorliegt.

Maier erläuterte zuerst die methodischen Grundlagen ihrer Untersuchung:
Eine besondere Herausforderung, deren Bewältigung für die Arbeit an der qualitativen Studie aber zugleich unerlässlich war, stellte die Eingrenzung des umfangreichen Materials dar. Um dieses zu bewältigen, grenzte die Autorin sowohl den Untersuchungszeitraum, als auch die Auswahl der zu untersuchenden Medien ein. Der Fokus lag damit auf der Analyse von Titelseiten und Titelgeschichten der Zeitschriften Stern, Bunte und Spiegel im Zeitraum von 1949, dem Gründungsjahr der Bundesrepublik Deutschland, bis 2013. Besondere Beachtung fanden dabei die Ressorts “Politik” und “Wissenschaft und Technik” in denen man religiöse Motive ja eher selten vermuten würde.

Es zeigte sich, dass die Berichterstattung über das Christentum – und damit die Sichtbarkeit christlicher Motive – gegenüber der nicht-christlicher Religionen deutlich überwog. Ferner stellte Tanja Maier fest, dass über religiöse Themen in keinem der untersuchten Medien besonders häufig berichtet wurde. Dafür blieb die Präsenz religiöser Motive durchgängig konstant, wenn man von einem geringfügigen Nachlassen während der 1970er-Jahre absieht. Dass die Religion “aus den Medien verschwunden” sei, wie es oft behauptet wird, ließ sich durch die Untersuchung aber klar widerlegen: Zu keinem Zeitpunkt fand gar keine Religionsberichterstattung statt.

Maier untersuchte die Zeitschriften anhand der vier Themen “Papst”, “Madonna”, “Jesus” und “Paradies bzw. Schöpfungsgeschichte”. Dabei konnte sie drei Phasen ermitteln, in denen diese Motive auf unterschiedliche Art verwendet wurden. Die früheste Phase, die Maier “geschlossene” Phase nennt, zeichnet sich durch eine getreue Übernahme der Motive ohne wirkliche Bearbeitung aus: Fotos des Papstes aus dem Vatikan werden eins zu eins abgedruckt, (meistens aus der Malerei stammende) Marien- und Christusdarstellungen werden exakt so abgedruckt, wie sie auch im Kunstkatalog zu sehen wären. In einer zweiten Phase, die Maier “offene” Phase nennt, gab es kleinere Bearbeitungen des Bildmaterials. Die dritte und späteste, die “überlagernde” Phase, zeichnet sich durch eine starke Bearbeitung und vor allem durch eine Vermischung und Kombination verschiedenster Motive aus. Maier nennt dieses Phänomen “Hybridität”. Ein Beispiel: Eine Ausgabe des Spiegel aus dieser Phase trägt den Titel “Der Rebell Gottes” und zeigt eine Darstellung Jesu in derselben Ästhetik, die sonst von Porträts des Revolutionärs Che Guevara bekannt ist. Dies sei ein entscheidendes Merkmal von Hybridität. Damit die Bedeutung des Bildes richtig decodiert werden kann, müssen dem Rezipienten die im Bild kombinierten Bestandteile bekannt sein.

Aber nicht nur die Bilder selbst wandeln sich im Laufe des Untersuchungszeitraums. Maier stellt fest: Auch die Kontexte, in denen Bilder mit Religionsbezug erscheinen, ändern sich nach und nach. So wird der Papst zu Beginn fast ausschließlich in seiner Funktion als geistliches Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche gezeigt; später wird er jedoch wesentlich stärker als politische Wirkmacht angesehen – und ist daher auch zunehmend im Politikressort der untersuchten Medien abgebildet. Maier spricht in ihrer Arbeit von einer “Politisierung” des Papstes. Darstellungen Marias und Jesu wandeln sich ebenfalls. Jesus wird vor allem während der “überlagernden” Phase von der Populärkultur entdeckt und entsprechend dargestellt. Maria wird häufiger in ihrer Eigenschaft als Frau und Mutter gezeigt. Maier spricht von einer “Popularisierung” Jesu und von einer “Feminisierung” Marias. 

Anhand ihres ausführlichen Vortrages konnte Tanja Maier unserem Publikum aufzeigen, wie sich Darstellung und Kontext religiöser Motive im Laufe der Zeit wandelten. Ihr Buch belegt: Die Religion ist in den Medien keineswegs unsichtbar!
Im Anschluss erhielt das Publikum wie immer die Gelegenheit, der Autorin Fragen zu stellen und bei Käse und Wein angeregt weiter zu diskutieren.