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Autor Michel Winock im Interview über den neuen französischen Präsidenten

In einem Interview mit Die Welt spricht unser Autor Michel Winock über den neuen französischen Präsidenten Emmanuel Macron sowie über die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Politik Frankreichs. Michel Winock ist Experte für die Geschichte und Politik Frankreichs und Autor von Das Jahrhundert der Intellektuellen, in dem er den Einfluss politisch engagierter Intellektueller, wie etwa Jean-Paul Sartre, im 20. Jahrhundert untersucht.

Die politische Landschaft in Frankreich ist in Bewegung: die Linke ist ebenso gespalten wie die Rechte, die Extreme beider Richtungen finden immer mehr Zuspruch, die Sozialistische Partei zerfällt. Und obwohl die „Tendenz zur Radikalität“ der französischen Politik mit der Geschichte des Landes verwurzelt ist, hat mit Macron laut Winock ein „Einhorn“ die Präsidentschaftswahl gewonnen, ein völlig unbekannter Typus Politiker. Auch bei den Parlamentswahlen sei mit einer „Nationalversammlung ohne klare Mehrheiten, mit der Notwendigkeit von Koalitionen“ zu rechnen, mit „Zentrismus“ also. Dieser mag zwar „nur ein Moment in unserer Geschichte“ sein, doch „wir erleben ohne Zweifel das Ende dessen, was einem Zwei-Parteien-System ähnelte“, d.h. das Ende der unüberwindbaren Trennung von Rechts und Links. Es bleibt zu hoffen, dass auch nationale Unterschiede überwunden werden und Macron sich für Zusammenarbeit in Europa und mit Deutschland einsetzt. Denn, so Winock, „die Welt ändert sich, und sie ändert sich schnell. Denn die Herausforderungen, denen Franzosen und Deutsche sich stellen müssen, zwingen uns, nationale Eigenarten zugunsten notwendiger Zusammenschlüsse zu überwinden. Das mag vielleicht eine Illusion sein, aber wenn ich daran nicht glauben könnte, bliebe mir nichts anderes übrig, als mich als Eremit auf den Berg Athos zurückzuziehen.“

Quelle: Sascha Lehnartz: Er ist ein Einhorn. In: Die Welt vom 18.05.2017