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Klatsch als journalistisches Genre

Buchvorstellung im Herbert von Halem Verlag

Anlässlich der Veröffentlichung von Klatsch. Basiswissen für die Medienpraxis, dem neuesten Band aus der Journalismus Bibliothek, sprach Verleger Herbert von Halem mit der Kommunikationswissenschaftlerin, Autorin und Klatschreporterin aus Leidenschaft Dr. Bettina Hennig zum Thema Adel, Botox, C-Prominenz – Das ABC des Klatschjournalismus auf dem verlagseigenen Podium.

»Ist Klatsch journalistisch?« So lautete dann auch die Eintiegsfrage des Gesprächs. Auf jeden Fall ist er beliebt bei seinen Lesern. Den größten Umsatzzuwachs z.B. konnte 2013 das People-Magazin Closer von Bauer (Quelle: IVW 2013, III. Quartal) erzielen. Und wie sehen die Arbeitstechniken des gemeinen Klatschreporters aus? Was ist wichtig? Bettina Hennig gewährt Einblicke: Erfundene Geschichten? Das kommt vor. Es passiert ja nicht jeden Tag etwas Spannendes und so muss manchmal mittels der »Fragezeichen-Geschichten« rumspekuliert werden. Da gebe es auch riesige Qualitätsunterschiede von Blatt zu Blatt, die nicht zwingend mit dem Verkaufspreis zusammenhingen. Wenn auch größere Blätter natürlich bessere Möglichkeiten hätten, während kleine Teams ihre Geschichten hauptsächlich im Netz recherchieren würden.

Bettina Hennig und Herbert von Halem auf dem Podium
Bettina Hennig und Herbert von Halem auf dem Podium

Manche Zeitschriften seien auch ganz besonders raffiniert, was ihre Schlagzeilen angeht. Günther Jauch ist bei der Verteidigung seiner Privatsphäre nicht eben zimperlich, wehrt sich aber vor allem gegen Titel wie »Günther Jauch: Jetzt reden die Kinder!« – man hatte (irgendwelche) Kinder einer von ihm geförderten Einrichtung befragt. Der Beruf des Paparazzo lohne sich aber nicht in Deutschland. Das große Geld ließe sich eher in L.A. mit Britney Spears verdienen. Die Themen sind dabei die gleichen wie schon seit jeher: Wer verliebt sich, entliebt sich, heiratet? Wer stirbt? Wer bekommt ein Kind? Und Krankheiten in sämtlichen Variationen. Damit können sogar die sogenannten »Promis ohne Werk« punkten. Zuerst stellen sich aber bei jeder Geschichte die folgenden Fragen: »Ist es wahr? Ist es neu? Ist es exklusiv?«

Bettina Hennig ist seit 25 Jahren Klatschjournalistin und beschäftigt sich seit 10 Jahren auch wissenschaftlich schwerpunktmäßig mit dem Thema Klatschjournalismus. Sie weiß, dass es in diesem Umfeld als pikant gilt und kritisch betrachtet wird. Vorurteile gegen Klatschreporter sind vielfältig und ›Märchenerzähler‹ ist bestimmt noch eine der netteren Beleidigungen. Doch die Klatschblattverlage sind, siehe Closer, eine der wenigen Expansionsbranchen, die Anzahl der verschiedenen Hefte in den Zeitschriftenregalen ist nahezu unüberschaubar. Was gerne übersehen wird, und damit zurück zur Frage, ob Klatsch denn journalistisch sei: auch die Sparte Klatsch verwendet journalistische Selektions- und Recherchemechanismen. Auch Unterhaltung kann gesellschaftspolitisch relevant sein. Und so erhält das Genre seine Daseinsberechtigung. Klatschgeschichten vermitteln Lebenseinstellungen, Verhaltensmuster und Realitätsbilder, stellen Gesprächsgegenstände und regen Diskussionen an. Bis heute existiert allerdings keine wissenschaftliche Literatur zu Klatsch, Bettina Hennig ist die einzige Kommunikationswissenschaftlerin, die zu diesem Thema promoviert hat.

Der Band Klatsch gehört zweifelsohne in die Journalismus Bibliothek. Gemeinsam haben Bettina Hennig und Rike Schulz Pionierarbeit geleistet und den aktuellen Forschungsstand zum Thema Klatschjournalismus gebündelt. Neben der Historie des Themas erläutern sie den Status Quo, zeigen Genregrenzen auf, beschreiben die Zielgruppe und die aktuelle Rechtslage sowie Qualitätsstandards. So ist ein erstes Lehrbuch zum Thema entstanden, das längst überfällige Lehrinhalte für ethisch und journalistisch qualifizierte Klatschbeiträge bereitstellt.