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Noch eine Frage bitte, Frau Wiske

Dr. Jana Wiske über "Die Elite. Die Bedeutung der Live-Berichterstattung im deutschen Spitzensport aus der Sicht von Sportjournalisten"

Welche Charaktereigenschaften zeichnen einen Sportjournalisten, der live berichtet, besonders gegenüber nicht live berichtenden Kollegen aus?

Hier muss man die verschiedenen Live-Typen zum Teil unterscheiden. Die Kollegen aus TV und Radio, die in Echtzeit arbeiten, sind durchaus extrovertierter als die Sportjournalisten, die Online einen Live-Ticker erstellen. Als ideale Eigenschaften für alle Live-Sportjournalisten gelten Schlagfertigkeit, eine schnelle Auffassungsgabe und das Gespür für die Situation.

Wie unterscheidet sich die Arbeitsweise live berichtender Sportjournalisten von der nicht live berichtender Sportjournalisten?

Gerade für die Live-Berichterstatter aus dem Fernsehen und dem Radio ist der Druck höher, da es keine Korrekturmöglichkeit gibt. Als größte Herausforderung gilt auch die Reaktion auf Unvorhergesehenes. Nicht nur hier spielt das Thema Schnelligkeit eine große Rolle.

Für welches Medium hat die Live-Berichterstattung die größte Bedeutung (z.B. Radio, TV, Online…), bzw. welches Medium erreicht mit seiner Live-Berichterstattung das größte Publikum?

Hier liegen im Sport sicher das Fernsehen und Online vorne. Man muss sich nur die Zuschauerquoten etwa bei Live-Fußballspielen anschauen. Aber auch die Live-Ticker werden von immer mehr Usern genutzt.

Wie stehen Spitzensportler der zunehmenden Bedeutung der Liveberichterstattung gegenüber? Empfinden sie Live-Berichterstattung eher als negativ (z.B. wegen zusätzlichen Drucks bei Interviews vor laufender Kamera?) oder als positiv (z.B. durch mehr Authentizität und Unmittelbarkeit)? 

Viele Sportler können manchmal gar nicht unterscheiden, ob live oder nicht live gesendet wird. Die Nähe von Sportlern zu dem jeweiligen Sportjournalisten hat jedenfalls kaum etwas mit der Live-Berichterstattung zu tun. Hier geht es um Sympathien-Werte. Die Sportler arbeiten am liebsten mit Sportjournalisten zusammen, die sie mögen und fachlich schätzen. Da ist es egal, ob diese live oder nicht live arbeiten.

Hat die Live-Berichterstattung im Spitzensport auch Nachteile (für die Journalisten und das Publikum)? Wenn ja, welche?

Die kurze Reaktionszeit lässt kaum Möglichkeiten zum Reflektieren der Geschehnisse und der Gedanken. Viel Gesagtes ist den Emotionen des Augenblicks geschuldet. Die Sportjournalisten aus der Live-Berichterstattung haben im Moment des Berichtens kaum die Chance zur ausführlichen Recherche und Bewertung –  so bleibt die Berichterstattung oftmals oberflächlich. Und teilweise nimmt die Live-Show einen höheren Stellenwert ein als die reine Berichterstattung über den Sport. Allerdings verlangt der Rezipient auch immer mehr nach einem Spektakel.

Werden sich Medien mit wenig oder gar keiner Live-Berichterstattung (z.B. Printmedien) Ihrer Ansicht nach auch künftig im Wettbewerb mit stärker auf Liveberichterstattung ausgerichteten Medien behaupten können?

Es dürfte zumindest schwer werden. Die heutige Generation der Konsumenten verlangt ein 24-Stunden-Berichterstattung. Hier können die Printmedien kaum mithalten. Ein Weg aus der Misere könnte die Konzentration auf den Qualitätsjournalismus sein. Allerdings ist bei den jüngeren Rezipienten eher leichte, einfache Medienkost gefragt. Ob diese Generation noch an langen, investigativ recherchierten Geschichten interessiert ist, darf zumindest bezweifelt werden.