Skip to content Skip to footer

Das beschädigte (Selbst-)Bild

Christoph Maria Fröhder, Lutz Mükke und Dietmar Schumann diskutieren lebhaft „Korrespondenten im Kalten Krieg“

Die Aufarbeitung der deutsch-deutschen Mediengeschichte steht am Anfang. Das wird offenbar, wenn zwei erfahrene Auslandskorrespondenten wie Christoph Maria Fröhder, ARD, und Dietmar Schumann, ehemals DFF, heute ZDF, auf einem Podium zusammentreffen. Sie schilderten im März auf der Leipziger Buchmesse lebhaft und vor einem bis auf den letzten Platz gefüllten Saal, in welchen Facetten sich der Kalte Krieg auf ihre Berichterstattung legte  – und wie sich zwei völlig unterschiedliche Systemperspektiven im journalistischen Alltag widerspiegelten. Denn während Christoph Maria Fröhder seine Laufbahn als TV-Journalist beim Hessischen Rundfunk begann, startete Dietmar Schumann seine Korrespondentenkarriere in der Auslandsredaktion des Deutschen Fernsehfunks der DDR. Wie eng dort die Definition von wahrhafter Berichterstattung gefasst war, bekam er direkt nach seinem ersten  Beitrag auf dem Auslandsposten in Moskau zu spüren. Nach einem Beitrag über die rückständigen Erntemethoden drohte man dem damals 26-Jährigen mit sofortigem Rückflug, sollte er die Misswirtschaft des „großen Bruders“ nochmals thematisieren.

Unter solchen Bedingungen hätte Christoph Maria Fröhder nicht gearbeitet. Seine Berichte und Reportagen aus dem Vietnamkrieg, Kambodscha oder später in Afghanistan oder dem Irak erregten dennoch Aufsehen. Denn auch in den westdeutschen Sendeanstalten saßen auf so manchem Chefsessel Kalte Krieger, die nicht jede Form kritischer Berichterstattung honorierten. So wurde Fröhder vom Chefredakteur des WDRs zwischenzeitlich suspendiert, weil er über die Menschenrechtsverletzungen der GIs während des Vietnam-Konfliktes berichtet hatte  – und das war nicht das einzige Mal, dass öffentlich-rechtliche Hierarchen dem Hanns-Joachim-Friedrichs-Preisträger Steine in den Weg legten, um das (Selbst-)Bild des „Westens“ nicht zu beschädigen, so Fröhder.

Dietmar Schumann auf dem Leipziger Podium

Zu der Veranstaltung eingeladen hatte Dr. Lutz Mükke, wissenschaftlicher Direktor des Europäischen Institutes für Journalismus- und Kommunikationsforschung. Anlass war das Erscheinen seines Buches Korrespondenten im Kalten Krieg. Die Publikation beinhaltet neben einer Überblicksanalyse über die Arbeit von BRD- und DDR-Korrespondenten im Kalten Krieg auch 16 ausführliche Interviews, u.a. mit Klaus Bednarz (ARD), Klaus Steiniger (ND), Ulrich Kienzle (ARD), Heike Schneider (Rundfunk der DDR), Paul M. Schumann (Der Spiegel) und Horst Schäfer (ADN). Auf dem Podium ordnete Lutz Mükke die Erlebnisse der beiden Gast-Korrespondenten in die aktuellen Ergebnisse seiner knapp zehnjährigen Expertise als Forscher der Universität Leipzig ein. Dabei betonte er, dass auch 25 Jahre nach der politischen Wende kaum systematische, systemvergleichende Forschungsergebnisse zur Auslandsberichterstattung vorlägen. Bemerkenswert sei auch, dass Auslandskorrespondenten der DDR-Medien stärker über ihre Arbeit reflektierten, als ihre Kollegen aus Westdeutschland. Dafür gebe es naheliegende Gründe: etwa die persönlichen Auseinandersetzungen mit dem für DDR-Auslandsberichterstatter obligatorischen Selbstverständnis als Propagandist zu arbeiten. Erheblichen Forschungsbedarf sieht Lutz Mükke auf westdeutscher Seite etwa zum Thema Verflechtungen von Geheimdiensten und Journalismus. Im Osten hingegen hätten Recherchen in den Stasi-Archiven vieles ans Tageslicht befördert.

Mit Geheimdiensten hatten auch beide Korrespondenten persönliche Erfahrung gemacht. Fröhder berichtete von zahlreichen Kontaktversuchen des BND, die er aber prinzipiell habe abblitzen lassen. Für Dietmar Schumann hingegen scheint dieses Kapitel hingegen bis heute nicht vollständig  abgeschlossen. 2004 wurde er in Verbindung mit dem Auslandsgeheimdienst der DDR, der HVA, gebracht. Es kam zum Karriereknick. Ihm war zuvor als einem von nur wenigen DDR-Journalisten der nahtlose Übergang vom DFF der DDR in den bundesdeutschen Journalismus – zur Redaktion Kennzeichen D im ZDF – gelungen. Nachdem die Vorwürfe publik wurden, wurde Schumann von seinem Studioleiterposten in Israel zurück nach Mainz beordert – und bekam seither keine vergleichbare Position mehr. Obwohl zwei anschließende Untersuchungen den Verdacht einer bewussten Mitarbeit Schumanns nicht bestätigten.

Zum Abschluss der Diskussion kritisierte das Podium aus Christoph Maria Fröhder, Dietmar Schumann und Lutz Mükke einhellig die aus ihrer Sicht gegenwärtig mangelhafte Auslandsberichterstattung der öffentlich-rechtlichen Nachrichten. Für seine wenige Wochen zuvor im Spiegel publizierte, massive Kritik an den Hauptnachrichten der ARD hatte Christoph Maria Fröhder zuvor viel Zustimmung erfahren. Die Podiumsteilnehmer sehen vor allem in der voranschreitenden Ausdünnung des Korrespondentennetzes der mangelhaften Nachwuchsförderung und der weitverbreiteten Agenturgläubigkeit die Ursachen für eine abnehmende Qualität. Die oft sehr kurzfristige und wenig hintergründige Berichterstattung trage demnach dazu bei, dass die Öffentlich-Rechtlichen etwa bei der Abbildung des Ukraine-Konfliktes stark an  Glaubwürdigkeit verloren hätten. Dabei sei gerade jetzt ein starker und unabhängiger Journalismus nötig, um nicht in die alten Feindbilder des Kalten Krieges zu verfallen.

 

Text und Bilder: Martin Hoffmann