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Vom afghanischen Medienboom

Am 16. Februar 2017 stellte Dr. Kefa Hamidi seine aufschlussreiche Studie Zwischen Information und Mission: Journalismus in Afghanistan bei den Kölner Mediengesprächen vor

Die Berichterstattung aus und über Afghanistan schien in der Vergangenheit vor allem von Bildern der Gewalt und der Krise geprägt zu sein. Dabei findet eine ebenso bedeutsame und deutlich positiver zu wertende Facette dieses Landes kaum Beachtung: die Evolution seines Mediensystems. Nach dem Sturz der Taliban 2001 wurden sämtliche Mediengesetze liberalisiert und afghanische Medienunternehmen von außen – am meisten von den USA – subventioniert. Seither kann man von einem regelrechten Medienboom sprechen: mittlerweile werden in Afghanistan etwa 80 TV-Sender, 180 Hörfunkunternehmen und über 800 Publikationen gezählt. Insbesondere bei jungen Menschen zählt das Berufsbild des/r Journalist/in als angesehenes und beliebtes Karriereziel – speziell vor dem Hintergrund, ihren Mitbürgern die richtigen Werte zu vermitteln.

Trotz aller Euphorie über die schnelle mediale Entwicklung, bringt diese auch Komplikationen mit sich: In Afghanistan leben Menschen 30 verschiedener Ethnien nebeneinander, die 49 verschiedene Sprachen sprechen. Diese kulturelle und sprachliche Verschiedenheit spiegelt sich auch in der Medienlandschaft wider, sodass die Kommunikation oft nicht zwischen, sondern nur innerhalb der Ethnien funktioniert. Das Einkommen einer/s Journalistin/en ist zwar verhältnismäßig hoch, die Ausbildung jedoch völlig veraltet. Eine professionelle Berichterstattung kann somit meist nicht gewährleistet werden. Eine weitere drängende Frage, die auch die Zuhörer des Vortrags beschäftigte, lautete: Wie wird sich die Medienlandschaft in Afghanistan entwickeln, wenn die Subventionen aus anderen Ländern langsam abflachen? – „Das wird eine schwierige Aufgabe werden.“ – so Hamidi, denn viele Projekte haben bisher noch keine Finanzierungsstrategie entwickelt.

Dr. Kefa Hamidi, Medien- und Kommunikationswissenschaftler an der Universität Leipzig, hat im Kontext der rasanten Veränderungen im afghanischen Mediensystem knapp 200 Journalisten und Journalistinnen zu ihrem beruflichen Rollenverständnis in seinem Heimatland befragt und in seiner Dissertation Zwischen Information und Mission die Ergebnisse der Studie sowie generelle Eigenschaften des afghanischen Mediensystems festgehalten. Mit dieser Arbeit legt er die erste empirische Kommunikatorstudie in Afghanistan vor und trägt einen wichtigen Teil zur Erforschung des Journalismus in islamisch geprägten Ländern bei.