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Kritik der Kreativität

35,00 

Zusätzliche Information

Größe 14,2 × 21,3 cm
Artikelnummer(n)

9783869623245, 9783869623276

Veröffentlicht

15.04.2019

Auflage

1. Auflage

Formate

Buch, PDF

Verlag

Herbert von Halem Verlag

Seiten

600

Wir leben in einer Epoche, die allem, was ‘Kreativität’ behaupten oder auch nur suggerieren kann, blind huldigt, ja diese nahezu vergöttert. Solche hemmungslose Verehrung verstellt den Blick auf Wesentliches. Man gewinnt den Eindruck, Kreativität sei eine unerschöpfliche Ressource für alle und jeden, jederzeit und bedingungslos abrufbar. Ist sie das? Nein, sie ist es nicht. Kreativität ist ein seltenes Vermögen innovativer und komplexer Transformation. Der rein individuelle Gesichtspunkt reicht nicht. Schöpferische Prozesse sind immer auch solche der Verausgabung und Verschwendung, Erschöpfung und gar Zerstörung.
KRITIK DER KREATIVITÄT versucht, den Paradoxien und Widersprüchen des Themas nachzugehen. Das Buch skizziert trans- wie intrakulturelle Verzweigungen und eruiert Hintergründe von poetischen und theoretischen Ausdrucksformen, konzeptuelle Formulierungen und Modelle aus verschiedenen Bereichen in unterschiedlichsten Hinsichten.
Das letzte Jahrhundert kann als das hervorstechende einer eigentlichen Vergötterung entfesselter Kreativität gelten. Zum Ende dieses selben Jahrhunderts hin wird die methodische Bearbeitung des Kreativen als einer ‘erfindenden’ Kunst der Artefakte und des Irregulären zum bestimmenden Modus von entgrenzter Kreativität für zahlreiche weitere soziale Bereiche und Systeme außerhalb der Künste.
Die Abhandlung thematisiert europäische und außereuropäische Traditionen und Konzeptionen, archaische wie moderne, künstlerische und außerkünstlerische Motive. Besondere Bedeutung für ein methodisches Verstehen von Kunst wie von ästhetischer Kreativität generell haben darin: das Verhältnis von Künsten und Wissenschaften, Spiel und Experiment, Theorien der Phantasie, die Geschichte der europäischen Künstlerausbildung sowie die differenten Konzeptionen des Schöpferischen, wie sie z. Bsp. die Aborigines oder die chinesische Zivilisation entfaltet haben.
Das Buch entfaltet das Spektrum in drei Hauptkapiteln: Zunächst geht es um die thematisch relevanten Dimensionen der Sprache, des Denkens und des Handelns. Es folgen Expositionen, Modelle und kulturelle Varianzen, die sich unter Anderem mit einer polykulturell angelegten Kunstgeschichte des Kreativen auseinandersetzen. Anschließend wird in Fallstudien die komplexe Kritik der Kreativität präzisiert.
Ein Epilog zum Problem des ‘Rests’ beschließt die Abhandlung, die sich als eine entwerfende Kartographie des Syndroms des Kreativen versteht.

Hans Ulrich Reck, geb. 1953, Prof. Dr. phil. habil., Philosoph, Kunstwissenschaftler, Publizist, Kurator. M.A. 1976, Dr. phil. 1989, Habilitation/venia legendi für ›Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaften‹ 1991. Seit 1995 Professor für Kunstgeschichte im medialen Kontext an der Kunsthochschule für Medien in Köln, davor Professor und Vorsteher der Lehrkanzel für Kommunikationstheorie an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien (1992-1995), Dozenturen in Basel und Zürich (1982-1995). Von April 2014 bis zur Pensionierung Ende März 2020 Rektor der Kunsthochschule für Medien Köln, von April 2016 bis 2019 Sprecher der Rektorenkonferenz der deutschen Kunsthochschulen (RKK). Seit 2016 Gründungsherausgeber der Reihe edition KHM im Herbert von Halem Verlag.
Schlagwörter: Kreativität, Kritik, der

Vorwort 13

ERSTER TEIL: SPRACHE, DENKEN, HANDLUNG

1. Von der Kunst zur Kreativität: Situierungen, Forschungslage, strukturelle Definition 16
Von der Kunst zum Diskurs der ›Kreativität‹? 18
Eine Definition 19
Metaphernfeld, Vor- und Ausprägungen ästhetischer
Assoziationen 22
Methodische Differenzierungen und Situierungen 23
Intelligenz, Gewitztheit und weitere kreativitästheoretisch bedeutsame Differenzen, aber auch Parallelen 24
Kreativität und Simulation 27
Künstlerische Artefakte, Kreativität als
Fiktionalisierungsmacht der Künste 28

2. Paradoxon des Kreativen 30

3. Kreativität: Thema und Obsession eines Jahrhunderts 34

4. Entäußerung und Utopie – Verteidigung und Kritik eines Phänomens 37

5. Stellenwert und Umfang des Kreativen in Kunst und Wissenschaften 54
Muster von ›Ordnung‹ und ästhetische Illusion 58
Nicht-intentionale Erfindung unter Knappheitsbedingungen 75
Exkurs: Linien ziehen, Formen entwickeln 89
Tiefengrammatik: Variationsreichtum, Sprachfähigkeit, Produktivität 92
Selbstgefühl und Faltung: seltsame Schleifen, gefühlte Evidenz 101

ZWEITER TEIL: EXPOSITIONEN, MODELLE, KULTURELLE VARIANZEN

6. Umrisse einer Kunstgeschichte des Kreativen 116

7. Die Entstehung des Neuen – Kunst als Paradigma von Kreativität 124

8. Kunst der Verschwendung: ›Potlatsch‹ 127

9. Exkurs: Wissenschaft, Kunst, Technik – eine europäische Konstruktion 132

10. Schrift und Schreiben – zum paradoxen Phänomen eines ›kreativen Schreibens‹ 137

11. Erzwungene Neugierde, probehalber – der Mensch als versuchsweise offenes Wesen oder Nicht-Wesen 141

12. Geschmack und Erkennen – Neues in der Kunst 146

13. Kunst der Fiktion – Neuschöpfungen im imaginären Museum 148

14. Neues im Wissen – epistemologische Modelle 150
Herkömmliche Vorstellungen vom wissenschaftlichen Fortschritt 151
Abweichende Auffassungen von Thomas S. Kuhn 152
Zur Einheit von Wissenschaftsgeschichte und
Wissenschaftstheorie 158
Exkurs zum ›Paragone‹ zwischen Künsten und Wissenschaften 161

15. Welt im Hintergrund des Gedankens: Konstruktionen 164

16. Kunst des Hervorbringens: Granulation als Modell 166

17. Klecksen und andere Listen – Inspiration am Materialwiderstand 173
Aleatorisches, Improvisation 178

18. Automat, Maschine, Gott – zum Kreativitätsbegriff Norbert Wieners 183

19. Sind Maschinen kreativ? Über Neid, sexuelle Konkurrenz zwischen Mensch und Maschine, ›Junggesellenmaschinen‹, Samuel Butler und ›Wunderkammern‹ 193
Von den Wunderkammern zu Bionik und Simulation des Lebens 216

20. Menschenmaschinen, Gesellschaft, Zukunft bauen –
Eine Vision des Ingenieurs Hans Moravec und ihr dystopischer Preis 219

21. Generative Natur, ›Natürlichkeit‹, Selbstentwurf, Schöpfung 228

22. Gewalt des Sehens, Tötung des Blicks, Mord am Auge – Zerstörung als Schöpfung: Zu einigen Elementen magisch-religiöser Metaphysik der Destruktion als Urgrund des Schöpferischen 234

23. Traumgewebe, schöpferischer Wahn, irrlichternde Fantasie, Sucht und Unaussprechliches 241

24. Schein des Zufälligen – künstlerische Aspekte zum ›Spielerischen‹ 249

25. Würfel, Spiel, Zufall – Ein Seitenblick auf Marcel Broodthaers 253

26. Kreativität und Spiel – zur Bedeutung von Theorien zum Spiel für kreative Prozesse (Ästhetik, Kunst) 256
Verordnet: Leben als Spiel, sozialer Kampf, Behauptung spieltheoretischer Rationalität, unterstellte Nullsummenspiele 257
Gewalt des Überschusses, Spiel als Kompensation 259
Kunst als ein Spiel der Verausgabung und Verschwendung – Georges Bataille 261
Karte und Territorium, Spieltheorie, Meta-Kommunikation 263
›Corriger la fortune‹ und ein globisches Spiel der Natur – eine knappe Erinnerung 265
Geschärfte Erhaltung von Paradoxa 273

27. Polyvalente Interpretanten, offene Codes 276

28. Subjekt als Modell problematischer Selbstbehauptung 287

29. Zur Anthropologie sozialer Kreativität bei Pierre Legendre 292

30. Typografie, Symbolik und Kalligrafie – Notationen in europäischer Typografie und chinesischer Schrifterfindung 297
Grundzüge beispielgebender chinesischer Kreativitätsauffassung: Mimesis in der und durch die Natur statt Subjektbehauptung als ästhetische Artefaktbildung 299
Arbeitsteilung, Spezialistentum, Handlungsspielräume:
Individualität und Serialität – diverse Modellvorstellungen von ›Kreativität‹ 303
Kalligrafie, Schrift: Zivilisation und Symbolkonstruktion 308
Typografie und computergestütztes Schriftentwerfen – westwärts gerichtete Beispiele 313
Phänomene und Topoi, Struktur und Modell: Typografie,
Kalligrafie, diverse Programmkonzepte 318
Schrifthintergründe, im summarischen Vergleich:
Verzeichnung des Phonetischen im Gegensatz zum modularen Entwurf eines Symbolisierungssystems 323
31. Bild-Form, generative Natur der Kunst – Kreativität in der chinesischen Zivilisation 329
Alterität differenter Kulturen 331
Das ›große Bild‹ nach François Jullien 333
Mimesis und Reflexion 337
Chinesische Kunst, besonders Malerei 340
Landschaft, fließende, unfassliche Natur als Bildproblem 343
Jenseits der Opposition von Subjekt und Objekt 346
Generative Natur und dienende Kunst diesseits ihrer Innovations- oder Kreativitätsbehauptung 349
32. Verlernen und Formzerstörung als Voraussetzungen einer Erneuerung des Kreativen 353
33. Kreieren/Zerstören: Zu einer poetischen Dialektik von Erzeugen und Zerstören 358
34. Daedalus gegen Ikarus – Innovationszwang in der europäischen Kunst im Licht eines typologischen Modells 376
35. Weben, Textur – formale und formbildende Verknüpfung 381
36. Zwischen Einzigartigkeit und Unbeholfenheit – divergente Wertehierarchien in der Kunst 386
37. Authentizität als Hypothese und Material – Transformation eines Kunstmodells 399
Einleitung: ›Camp‹, Manierismus, Dandy 401
Ressourcen, Ausdehnungen, Transformationen 403
Immer wieder Pop Art, immer wieder auf erweiterter Stufe 406
Das offene Kunstwerk – Kontur eines Entwurfs 409
Die authentische Setzung der Rezeption. Eine erneute Entdeckung und Neubewertung der Konzeptkunst 412
Kosuths ausweglose Tautologien 424
Kunst des Virtuellen, real 430
Die elektronische Herausforderung 435
Analog, digital – Verzerrungen und Verdrehungen, Missverständnisse: ›Fotografie‹ im digitalen Zeitalter oder Über das Scheitern der Referenz 437
Ausblick auf eine notwendige Hybridisierung – Avantgarde, Täuschung, Fälschung 441
38. Kreative Wiederholung, Bild/er/schaffen: Imitation und Mimesis 446

DRITTER TEIL: FALLSTUDIEN, SITUATIONEN, PANORAMA

39. Kunst, dekorativ 454
Kunst als Verdacht gegen das Leben – Verlieren, Endpunkt des Schöpferischen 456

40. Das Autochthone als Suggestion einer posthistorischen Melancholie 461

41. Differierendes kulturelles Empfinden – verdeutlicht am Unterschied des altchinesischen vom altgriechischen Konzept
der Messung musikalischer Harmonie und Proportion 466

42. Zufall, Auf- und Abwertung, spielerische Umcodierungen als kreative Verschiebungen 471

43. Zerstörung – Einheit des Schöpferischen und des Destruktiven 478

44. Wachstum, Produktionswahn, blinde Verschwendung – Stereotyp, fatale Kreativitätsauffassung 482

45. Bedeutungsleere Rede – Gemeinplätze 488

46. Schließen, Schlussfolgern, Imaginieren: Deutungen kreieren 496

47. Fantasie, Herstellen, Denken: ein ›wunderbares Vermögen der Einbildungskraft‹ 507

48. Kreativität bei den Aborigines: Kunst und Mythos 516

49. Über Giorgio Vasaris beispielgebende Konzeptionen:
Moderne Kunstakademie, Historie der Künste, Kreativität des Künstlers 522

EPILOG

50. Künstlerrollenmodelle im Spiegel der Geschichte 536 Ausgangspunkt 537
Die Auffassung der Griechen und Römer 537
Christliche Ära 539
Neuzeit 540
18. Jh. bis in die Gegenwart 540
Gegenwart und darüberhinaus 543

51. Kreativität als Paradox und die Erforschung des Neuen – eine knappe Übersicht 545

52. Ohne Rest? 548

LITERATUR, DANK, AUTOR

Bibliografie: zitierte Literatur/Referenzen 557
Ein Dank oder ein Wort zum Beschluss 592
Zum Autor 595