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Noch eine Frage bitte, Herr Wäscher

Till Wäscher über "Wer beherrscht die Medien?"

Wer beherrscht die Medien? bietet eine Rangliste der 50 größten Medien- und Wissenskonzerne und stellt diese zudem einzeln vor. Wie stellen Sie die Rangliste und die Porträts zusammen?

Die Basis für unser Ranking sind die zuletzt publizierten jährlichen Umsatzzahlen der Konzerne. Wir definieren ›Medienkonzerne‹ hierbei als Unternehmen, die publizistische Inhalte in Massenmedien verantwortlich erstellen oder verbreiten sowie maßgebliche Teile ihres Umsatzes mit Erlösen aus Rechten/Lizenzen oder Werbung erzielen. Außerdem berücksichtigen wir Konzerne, die durch Produktion oder Distribution maßgeblichen Einfluss auf die kommunikative Umwelt eines breiten Publikums haben. Die Geschäftsfelder und Branchen, in denen diese Konzerne im Wesentlichen aktiv sind, umfassen Film- und Fernsehproduktion und -distribution, Streaming- und Social-Media-Dienste, Bücher-, Zeitungs- und Magazinverlage, Radiostationen und Musiklabels sowie Games Publishing und Fachinformationsdienste. Neben den einzelnen Geschäftssegmenten beleuchten wir in den Konzernporträts auch die Geschichte der Unternehmen, ihre handelnden Personen und Geschäftsstrategien.

Welche Entwicklungen und Tendenzen lassen sich seit dem Erscheinen der ersten Ausgabe 1997 beobachten?

Zunächst hat die Ankunft des Internets natürlich die Geschäftsmodelle der Konzerne auf den Kopf gestellt. Am dramatischsten hat sich dies am Niedergang des Zeitungs- und Zeitschriftenmarktes gezeigt. Mitte der 1990er-Jahre waren unter den größten Medienkonzernen noch diverse Verlagshäuser, mittlerweile haben die Unternehmen – mit wenigen Ausnahmen – ihre Printsparten entweder verkauft oder in separate Unternehmen ausgegliedert. Die Veränderung der Nutzungsgewohnheiten bedroht mittlerweile auch das Kabel-TV-Geschäftsmodell; hier wird sich der Wechsel vom linearen TV zu Streamingplattformen jedoch langsamer vollziehen. Medienkonzerne müssen heutzutage sowohl die Vertriebswege als auch die Medieninhalte kontrollieren – eine  Entwicklung, die 2011 mit der Übernahme des Medienkonzerns NBC Universal durch den vormals reinen Kabelkonzern und Internet Service Provider Comcast eingeläutet wurde. Google, Facebook, Amazon und Twitter hingegen produzieren bereits selbst eigene Inhalte und könnten mittelfristig auch Hollywood-Studios oder Pay-TV-Sender übernehmen.

Wie groß ist Ihrer Meinung nach der Einfluss, den die Medien- und Wissenskonzerne auf die Politik nehmen und wie äußert er sich?

In den USA gehören Medien- und Wissenskonzerne neben der Pharma- und Rüstungsindustrie zu den größten finanziellen Unterstützern der beiden großen Parteien. Die Konsolidierung des US-Medienmarkts, die in Form von sog. „Mega-Mergers“ unaufhaltsam voranschreitet (demnächst wird über den Kauf von Time Warner durch Telekommunikationsgigant AT&T entschieden), ist auch das Resultat von den enormen Summen, die die Konzerne, in das politische System pumpen. Auf der anderen Seite profitieren die Medienkonzerne, insbesondere seit dem umstrittenen „Citizens United“-Urteil des obersten Gerichtshof, auch von den massiven Investitionen, die sog. „Super-PACs“ in Wahlwerbespots investieren. Zuletzt zeigte sich die Verzahnung von Medien und Politik im Vorfeld des Irak-Kriegs, als selbst liberal geltende Qualitätszeitungen wie die New York Times oder die Washington Post kritiklos die Lügen der Bush-Administration verbreitet haben. Aktuellere Beispiele sind die während des Präsidentschaftswahlkampfs in punkto Sendezeit eindeutige Bevorzugung von Hillary Clinton oder die Fox-News-Abendformate, die im Wesentlichen Propaganda-Tools für die Trump-Administration sind. Außerhalb von Europa und den USA treten die Verbindungen zwischen Politik und Medien jedoch viel deutlicher zu Tage. Die kommunistische Partei kontrolliert in China direkt oder indirekt sämtliche Medien- und Internetkonzerne; in Latein- und Mittelamerika gibt es mit Globo und Grupo Televisa Konzerne, die den Medienmarkt quasi-monopolistisch regieren; und in Japan hat spätestens die Fukushima-Katastrophe gezeigt, dass es dort kaum regierungskritischen Journalismus gibt.

Wie kann die Studie Wissenschaftlern aber auch anderen Lesern helfen, die Medienlandschaft besser zu verstehen?

Die Globalisierung der Medienindustrie schreitet unaufhaltsam voran. Ein südafrikanischer Konzern wie Naspers ist etwa an Social-Media-Plattformen in Russland, Games-Anbietern aus China und Pay-TV-Sendern in Afrika beteiligt. Ein interessantes Beispiel ist auch die niederländische Altice-Gruppe, die u.a. französische Tageszeitungen, US-amerikanische Kabelsender und marokkanische Internet Service Provider in ihrem Portfolio hat. Nur durch einen international vergleichenden Blick auf die Medienbranche lassen sich Beteiligungsstrukturen, Schlüsselfiguren und Geschäftsstrategien noch durchschauen. Wer beherrscht die Medien? bereitet diese Informationen sowohl für ein Fachpublikum als auch für interessierte Leser im Allgemeinen strukturiert und verständlich auf.

Mehr als die Hälfte der 50 aufgeführten Konzerne ist US-amerikanisch, darunter auch die sieben Erstplatzierten. Was ist Ihrer Meinung nach der Grund dafür?

Diese Dominanz ist zunächst einmal historisch bedingt und das Resultat eines maßgeblich von Einwanderern geprägten Kultur- und Technologiesektors. Heute gehören Filme aus Hollywood und Applikationen aus Silicon Valley zu den wichtigsten Exportgütern der USA – die Medien- und Technologiekonzerne werden deshalb regulatorisch weitestgehend in Ruhe gelassen und können so ungehindert wachsen. Konkurrenz droht hier nur aus China, durch Online-Konzere wie Tencent und Baidu oder diverse Holdings, die massiv in die heimische Produktion von Filmen investieren. Europäische, insbesondere deutsche Medienkonzerne haben hingegen die Chance vertan, auf Augenhöhe mit den USA zu kommen. Bertelsmann, derzeit auf Platz 11 im Ranking, war Mitte der 1990er-Jahre noch die Nummer Zwei. Der Konzern hat jedoch nie ein Hollywood-Studio gekauft und investierte nur zögerlich in den aufstrebenden Online-Markt.