Skip to content Skip to footer

Noch eine Frage bitte, Herr Reineck

Dr. Dennis Reineck über "Die soziale Konstruktion journalistischer Qualität"

Herr Reineck, Sie haben in Ihrer Studie zur journalistischen Qualität junge Erwachsene im Alter von 18 bis 25 Jahren befragt. Warum stellt diese Nutzergruppe aus Sicht der journalistischen Praxis eine ‘Problemgruppe’ dar?

Nun ja, sie wird häufig als „Problemgruppe“ bezeichnet, was sicherlich an den veränderten Nutzungsweisen liegt, die Jugendliche und junge Erwachsene auszeichnen: Mehr Digitales, weniger klassischer Medienkonsum. Aber als Problem erscheint dies natürlich in erster Linie aus Sicht der Institutionen, die auf den veränderten Bedarf reagieren müssen: Journalismus, Wissenschaft oder auch politische Institutionen.

Wie wurde ‘Journalismus’ in den Gruppendiskussionen Ihrer Studie von den jungen Erwachsenen definiert?

Es war interessant, dass sie Journalismus stets normativ definierten. Als Wissenschaftler bemühen wir uns oft um eine sorgfältige Trennung von dem was ist und dem was sein soll. Diese Trennung hat aber nichts mit dem Nutzungsalltag zu tun, in dem die Definition von Journalismus sehr eng mit konkreten Erwartungen an journalistische Produkte verbunden ist.

Welche Rolle spielen Bildungsmilieus bei der sozialen Konstruktion von journalistischer Qualität?

Der Bildungshintergrund schlägt auf jeden Fall durch, was die Erwartungen an guten Journalismus betrifft, allerdings nicht in der Weise, wie es beispielsweise aus Sicht der Bourdieu’schen Feldtheorie zu erwarten wäre. Dazu gab es zu viele Ausnahmen, etwa Gemeinsamkeiten zwischen den Erwartungen von Lehrlingen und arbeitslosen jungen Erwachsenen. Außerdem erschienen boulevardeske Medien nur in einer von zehn Gruppen als journalistisches Ideal. Die Studierenden stachen deutlich in ihrer Nutzung heraus: Sehr gezielt, sehr plural. Lehrlinge und Arbeitslose konsumierten eher nach dem Zufallsprinzip.

Wie wirkt sich die Nutzung von Online-Medien auf die Beurteilung der Qualität von gedruckten Zeitungen und Fernsehjournalismus aus?

Es gibt eindeutig Übertragungseffekte, das heißt die Nutzung digitaler Medien prägt auch die Art und Weise, wie andere Medien beurteilt werden. Beispielsweise beklagten die jungen Erwachsenen die langen Texte in Zeitungen und die Irrelevanz der Themen. Am Fernsehen beklagten sie etwa, dass Sendungen nicht auf Abruf kämen und die Flüchtigkeit des Mediums.

Was können Sie abschließend sagen: Welche Form des Journalismus spricht laut Ihrer Studie junge Erwachsene besonders an? Was erwartet diese Nutzergruppe von gutem Journalismus?

Vorab ist eine Feststellung wichtig: Diese Altersgruppe erwartet gar nicht, dass sich die Tagesschau auf ihre Stilpräferenzen und Themen einstellt. Ihr ist es lieber, dass sie sich über ihre Themen, zum Beispiel Computerspiele oder Schminktipps, in ihren eigenen Medien informiert. Dennoch gibt es drei Hinweise, die für Redaktionen interessant sein könnten: Erstens ist die Aufmerksamkeitsspanne begrenzt, so dass Texte entweder kurz oder spannend mit mehreren Wendungen gestaltet sein sollten; zweitens sollten Redaktionen etwas in ihren Beiträgen hinterlassen, was ich positive Qualitätsmarker nenne – Spuren im Beitrag selbst, die dokumentieren, welcher Aufwand hinter dem Beitrag steckt und welche Standards dabei berücksichtigt wurden; und drittens muss guter Journalismus auffindbar sein, sie am Besten in ihren digitalen Lebenswelten erreichen – bei Snapchat, Instagram oder wo auch immer.

 

Aus den Ergebnissen der Studie lassen sich Schlussfolgerungen für den Journalismus, für Medienunternehmen und -organisationen sowie für die Medienpolitik ziehen. Diese sind nachzulesen im Band Die soziale Konstruktion journalistischer Qualität.