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Sporno: Die mediale Sexualisierung des Sports

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Seit 1971 Sportjournalisten erstmals eine Sexualisierung des Mediensports kritisierten, hat sich einiges getan. Erregten damals noch die wehenden Haare Günther Netzers und das „Mannessymbol“ auf Franz Beckenbauers Oberlippe die Gemüter, so sind es heute sogenannte „Lingerie-Football-Leagues“, deren Spielerinnen sich eher durch eine ordentliche (Silikon-)Oberweite und knappe Höschen als durch Sportkenntnisse profilieren. Die Bandbreite der Formen, in denen die sportlichen Sexualisierungstendenzen zutage treten, hat in den letzten Jahren stetig zugenommen.

Auf der Tagung „Die Sexualisierung des Sports in den Medien“, die im April 2010 an der Deutschen Sporthochschule Köln stattfand, wurde die zunehmende Sexualisierung des Sports unter dem Einfluss der Medien analysiert und ermittelt, welche empirischen, theoretischen und methodischen Zugänge eine interdisziplinäre Perspektive öffnen. Kritisch diskutiert wurde nicht nur die Präsentation des männlichen und weiblichen Körpers in den Medien, sondern auch das Spannungsfeld verschiedener Formen sexualisierten Sports in der medialen und werblichen Kommunikation.

Im ersten Panel wurde eine Langzeitstudie zur medialen Präsenz von Athletinnen vorgestellt, die verdeutlicht, dass die Sportlerinnen im Gegensatz zu ihren männlichen Konkurrenten zunehmend „entsportlicht“ dargestellt werden; Siege und Rekorde spielten bei ihnen eine untergeordnete Rolle, während außersportliche Themen wie das Privatleben und die physische Attraktivität hervorgehoben wurden. Auch die Unterrepräsentanz von Frauen gerade im sportjournalistischen Bereich wurde thematisiert.

Weiter ging es im nächsten Panel mit einem Blick auf die mediale Geschlechterkonstruktion im Fußball, wo weibliche Fußballfans erst als „Kumpel“ ernst genommen werden, wenn sie als „männlich“ angesehene Verhaltensweisen übernehmen, und der Gender-Kompetenz im Schulsport. Hier seien speziell Sportarten, die mit bestimmten Bildern der Weiblichkeit verbunden sind, problematisch.

Im Panel „Sexualisierung als Vermarktungsstrategie“ thematisierte Daniela Schaaf von der DSHS Köln das „Kournikova-Syndrom“, das besagt, dass eine erfolgreiche kommerzielle Positionierung nicht unbedingt etwas mit sportlichen Erfolgen zu tun haben muss.

Beim Blick auf die „Sexualisierung im E-Sport“ wurde deutlich, dass Sexualität hier teilweise explizit forciert wird, jedoch mit deutlichen kulturellen Unterschieden: Während E-Sport in Asien eher weiblich dominiert sei, träten in Europa mehr männliche Protagonisten auf. Interessante Ergebnisse lieferte eine Studie zu sexualisierten Inszenierungsmustern von SportlerInnen im Internet und Social Web. Hier ließen sich kaum Unterschiede zwischen den Geschlechtern finden.

Nach einem Rückblick auf die Anfänge der Sexualisierung des Mediensports näherte man sich dem „Tabuthema Homosexualität“ in der Sportberichterstattung aus einer sozialpsychologischen Perspektive. Durch die Vermittlung verzerrter und an Heterosexualität orientierter Normen trage sie zur Stabilisierung stereotyper und vorurteilsbeladener Wahrnehmungsmuster bei. Auch sei die empirische Forschungslage zum Umgang mit Homosexualität im Mediensport bisher defizitär und wenig theoretisch fundiert.

Jörg-Uwe Nieland diskutierte mit Roman Horak über „Sportler(innen) als Popstars“ aus Perspektive der Cultural Studies. Im Sportainment können Sportler durchaus den Status eines Popstars erreichen, Sportlerinnen lassen sich dagegen kaum als internationale Popstars konstruieren und verbleiben im Paradigma Sport, in welchem sie letztlich auf ihre physische Attraktivität reduziert und dementsprechend wesentlich häufiger in der Boulevardpresse thematisiert werden.

Die Tagung endete mit einer öffentlichen Lesung mit anschließender Podiumsdiskussion zum Thema „Transsexualität im Mediensport“, an der auch Balian Buschbaum teilnahm, der sich im Jahr 2009 einer geschlechtsangleichenden Operation unterzog.

Deutlich wurde die Notwendigkeit einer Diskussion von inter- und transdisziplinären Fragen und Befunden sowie der Entwicklung gemeinsamer Untersuchungsfragen und -kriterien. Die Anstrengungen sollen beim geplanten Tagungsband deshalb auf einer interdisziplinären, alle Bereiche abdeckenden Bearbeitung des Themas liegen. Der Band Die Sexualisierung des Sports in den Medien wird im Oktober 2011 in der Reihe Sportkommunikation erscheinen.

Die Kommunikationswissenschaftlerin Daniela Schaaf und der Sozialwissenschaftler Jörg-Uwe Nieland der Deutschen Sporthochschule Köln erforschen das Phänomen „Sporno“ – die Kombination aus Sport und Porno – und stellen fest, dass es „inzwischen eine deutliche Steigerung dieser Sexualisierungstendenzen gibt, die man schon als Pornografisierung bezeichnen muss.“ Der Artikel Sportlerinnen oder Pornostars?, der den 5-Stufen-Plan des Wissenschafts-Duos erläutert, beschäftigt sich mit Sportlerinnen im Playboy, veränderten Trikotordnungen zugunsten der männlichen Sportrezipienten, dem Pole-Dancing als olympischer Sportart und den „Sexy Sport Clips“ im nächtlichen Sportfernsehen. Erschienen in der Zeitschrift EMMA, Frühling 2011.

Die Erkenntnisse und Ergebnisse der Tagung wurden dem Artikel Let’s talk about sex and sports von Daniela Schaaf und Jörg-Uwe Nieland entnommen, erschienen in der Zeitschrift “Sportwissenschaft”, Ausgabe 1/2011.